PrudentialRide London

Sommer 2014. Es muss ein warmer Tag gewesen sein,

als ich mit einer bekannten Rennradzeitschrift auf meinem Balkon saß und einen Bericht über ein Radrennen in London las. Die Sonne muss mir kräftig auf den Kopf geschienen haben. Anders kann ich mir das nicht erklären, was knapp ein Jahr später passierte.

Auf meinem Schreibtisch lag ein Formular meiner Firma mit den Urlaubswünschen fürs Jahr 2015. Daneben die besagte Fahrradzeitschrift mit einem Knick auf der einen bestimmten Seite. Was war doch nochmal genau auf der Seite? Kurz aufgeschlagen, aha, das Rennen in London. 100Meilen durch England. 100Meilen? Das ist doch einfach. So weit ist das doch gar nicht, dachte ich mir. Einige Urlaubstage waren noch über, warum diese nicht also in London verbringen. Schnell die Internetseite des Veranstalters geöffnet und um einen Startplatz beworben. Es war gar nicht so einfach die richtige Kategorie zu finden. Englisch ist zwar keine Schwierigkeit für mich, die Fachbegriffe des Rennradsports sind mir aber nicht alle geläufig. Das Datum noch schnell im Urlaubsantrag markiert und um das Rennen herum noch einige Tage mehr für einen Besuch Londons eingeplant und schon geriet das Rennen mehr oder weniger in Vergessenheit.

Wieso sollte ICH als einer von 120000 Bewerbern, ja richtig gelesen Einhundertzwanzigtausend, einen der 25000 Startplätze bekommen.

Frühjahr 2015. Post aus London. Ich habe einen Startplatz. Was für einen Startplatz? Ach ja, da war ja dieses Rennen für das ich mich beworben habe. Wie weit war das nochmal? 100km? Nein, 100Meilen. Ach, das ist ja nicht so weit, wird schon klappen.

Noch eben die Flüge und ein Hotel gebucht, irgendwie muss ich da ja auch hinkommen und schlafen. Ui, ist London teuer. Egal, der Spaß ist nur einmal im Leben.

Frühsommer 2015. Erinnerungsmail aus London. Ach ja, das Rennen kommt immer näher. Die wollen wissen, wie ich zum Start komme. Mit dem Rad natürlich, wie denn sonst. Na gut, 25000 Starter wollen sortiert werden. Da kann ich verstehen, dass sie nachfragen. Da steht ja auch meine Startzeit. 6:40. Morgens. Das ist ja mitten in der Nacht. Da steht noch eine Zeit. 5:40. Was ist das denn? Einlass in den Startblock. Endet um 6:09. Das ist ja noch früher. Wird schon schief gehen.

Ende Juli war es dann also so weit. Das Rad zerlegt und in den Radkoffer, welchen ich mir von meinem netten Arbeitskollegen, Ausbilder und Radsportfanatiker ausleihen durfte. Seid ihr schon einmal mit Radkoffer und Koffer in den Händen durch London gegangen? Das ist eine Herausforderung, glaubt es mir.

Im Hotel angekommen habe ich gleich den passenden Angestellten gefunden. Er kommt aus der Schweiz und ist selbst leidenschaftlicher Rennradfahrer, zur Zeit aber unfallbedingt ohne Rad unterwegs. Daher konnte er seinen Startplatz beim PrudentialRide auch nicht wahr nehmen. Musste ich also wohl doch komplett unter Engländern bleiben.

Das Abholen der Startunterlagen klappte problemlos. Dort noch schnell auf der Expo umgeschaut, ein schönes Erinnerungsjersey gefunden und mir den Streckenverlauf angeschaut. Das Höhenprofil versprach nichts schlimmes. Maximal 250m Höhe. Der Nienstedter Pass hat 277m NN, also wird mich dort nichts überraschen können. Denkste.

Zwei Tage vor dem Rennen war das Rad vorbereitet und ich wollte endlich fahren. Wenigstens einmal die Strecke zum Olympia Park abfahren und testen, wie man sich im Linksverkehr so verhält. Also Radschuhe an, Helm auf und das Navi eingeschaltet, Route zum Startpunkt geladen und ... was ist das? Eine Linie auf grauem Hintergrund. Mist. Ich habe vergessen, eine Straßenkarte von London auf meinem Navi zu installieren. Na gut. Immerhin wird mir die Richtung angezeigt, in die ich fahren muss. Da werde ich schon hinfinden. Letztendlich war es nur eine große Ausfallstraße entlang und dann den schon aufgestellten Schildern zum Startblock folgen. Das ist einfach. Sollte ich auch Sonntags Morgens schaffen.

Der Tag der Wahrheit.

Sonntag Morgen um kurz vor 5 sollte der Wecker klingeln. Tat er aber nicht. Mein Handy hatte über Nacht den Geist aufgegeben und wollte partou nicht klingeln. Gott sei Dank hatte ich einen zweiten Wecker gestellt, sodass ich doch noch rechtzeitig wach und auf dem Weg zum Startpunkt war. Das Thermometer im Navi zeigte 9°C an und die Ärmlinge blieben dran.

Der Startblock war schnell gefunden, noch fix ein Erinnerungsfoto gemacht und auf den Start freuen.

 

Etwas verspätet ging es auf die Strecke durch die Innenstadt von London in Richtung Surrey. Das Tempo war vergleichbar zu dem einer RTF. Für mich zumindest. Die anderen Teilnehmer ließen es irgendwie ruhiger angehen. Am linken Straßenrand bildete sich eine lange Perlenkette an der ich rechts vorbei fuhr.

"On your right!" schrie es von hinten. Nanu, was war das? Ah, eine schnellere Gruppe kündigte ihr Überholen durch Rufen an. Vorbildlich. Schnell einen Gang hoch geschaltet und hinten in die Gruppe rein. So waren wir nun zu 7 und schoben uns weiter durch die Londoner Innenstadt.

Die ersten 10Meilen vergingen sehr schnell und das Hinweisschild kam viel früher als erwartet. Das war ein gutes Gefühl, die Gruppe lief ordentlich und das Tempo war auch nicht zu verachten.

Nach 20 Meilen leider einen kurzen Stopp an einem der vielen Ver- und Entsorgungspunkte einlegen müssen und erstmal ohne Gruppe weiter fahren müssen.

Leider kam ich kurz nach dem Stopp an einer Unfallstelle vorbei, an der ein Teilnehmer leider den Tod fand. Dies erfuhr ich aber erst am nächsten Tag aus der Zeitung. Der Teilnehmer hatte sich wohl überschätzt und vollkommen überfordert.

Einige Zeit ging es weiter durch die schöne Landschaft südwestlich von London, mittlerweile wieder in einer Gruppe, das Tempo etwas höher als in der ersten. Hier wurde auch fleißig in der Führung gewechselt. Endlich eine Umgebung, die ich von deutschen RTF kenne. Eine Gruppe, die zusammenarbeitet um ans Ziel zu kommen. Nach ca. 50Meilen kam der erste Anstieg und auch hier funktionierte die Gruppe wunderbar. Oben ein kurzes warten bzw. heranfahren der langsameren in der Abfahrt.

Die nächsten beiden Anstiege waren kurz aber hart. (Ab der gelben Linie mit der Nr. 3 - 90 km)

Der zweite Anstieg nach ungefähr drei Stunden Fahrzeit ist der Box Hill. Dieser war auch Teil der olympischen Radstrecke von 2012 und entsprechend steil.

Auf dem Weg dort hoch etwas geflucht und mich gewundert, seit wann England denn solche Berge hat.

Der Rückweg nach London war dann eher flach und schnell. Die meiste Zeit davon ging es für mich alleine in Richtung Innenstadt, da sich die Gruppe am letzten Hügel dann doch leider verloren hat.

Am Themseufer entlang wurde die Geschwindigkeit dann doch wieder angezogen und die Euphorie stieg, die Vorfreude auf den Zieleinlauf war allen Fahrern anzumerken. Am abgesperrten Streckenrand standen Zuschauer und Touristen, die nicht aufhörten anzufeuern.

Am House of Parliament vorbei ging es dann auf den letzten Metern über den Trafalgar Square auf die Zielgerade "The Mall". Da dort einen Tag vorher ein Profirennen und eine Weltmeisterschaft statt gefunden hat, war dort noch alles aufgebaut und Schilder zählten die letzten Meter bis zum Zielstrich herunter, sodass pünktlich 150m vor dem Ziel der Endspurt angezogen werden konnte und ein sehr schönes Rennen zu Ende ging.

Zum krönenden Abschluss noch ein Zielfoto vor dem Buckingham Palast geschossen und dann ab ins Hotel und einen tollen Tag genießen.